WeChange - das Projekt

Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen wird immer wieder durch gesellschaftliche und technologische Veränderungen gefährdet. Eine solche gesellschaftliche Veränderung drückt sich aktuell im demografischen Wandel aus. Alternde und schrumpfende Gesellschaften haben für Unternehmen zur Folge, dass deren Mitarbeiterschaften immer heterogener werden. Die Zahl der jungen Nachfolger ist gering, wodurch ein regelrechter „Kampf um junge Talente“ zwischen Unternehmen herrscht. Um Mitarbeiter möglichst an das Unternehmen zu binden, werden immer häufiger unterschiedliche Erwerbsmodelle angeboten.

Neben gesellschaftlichen Veränderungen wirken sich auch technologische Weiterentwicklungen massiv auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen aus. Diese Weiterentwicklungen resultieren darin, dass Informationstechnologien (IT) eine wachsende Bedeutung auch im privaten Umfeld hat. Immer mehr Menschen nutzen diese modernen Technologien und stellen an ihren Arbeitgeber die Anforderung, diese auch im beruflichen Umfeld anzubieten. Insbesondere unter Berücksichtigung des demografischen Wandels und der damit einhergehenden wachsenden Heterogenität der Mitarbeiter steht somit das Unternehmen vor der Herausforderung, die Informationssystemumgebung entsprechend den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter anzupassen. Hier hat das Unternehmen nun die Wahl zwischen zwei Alternativen. Entweder es standardisiert jegliche Informationssysteme nach dem Prinzip „One size fits all“. Das erleichtert zwar den Support solcher Systeme durch eine zentrale IT-Abteilung, sorgt aber schnell für Frustration und Widerwille bezüglich Akzeptanz und Nutzung solcher Systeme bei den Mitarbeitern. Die zweite Alternative bildet die vollkommene Individualisierung von IT, in der jeder Mitarbeiter seinen IT-Arbeitsplatz so gestalten kann, wie er oder sie es bevorzugt. Diese Alternative hat jedoch zur Folge, dass Unternehmen keinen zentralen Support mehr bieten können. Fast täglich kommen neue Anwendungen auf den Markt, die bei einer vollkommenen Individualisierung potentielle Anwendungen in der IT-Landschaft von Unternehmen sein können.

Das Projekt WeChange hat sich daher zur Aufgabe gemacht, Unternehmen eine Plattform zu bieten, welche den goldenen Mittelweg verfolgt. Über die Entwicklung und Bereitstellung einer dezentralen Wissens- und Supportplattform sollen Unternehmen darin unterstützt werden, teilindividualisierte IT-Landschaften anzubieten und zeitgleich einen entsprechenden Support bereitzustellen. Die Wissens- und Supportplattform basiert im Wesentlichen aus der Verknüpfung von unternehmensspezifischen Anwendungen mit modernen Kommunikations-, Kollaborations- und Koordinationstechnologien.

Zusätzlich zu der Arbeit an der Wissens- und Supportplattform hat sich das Verbundprojekt weiteren Themenfeldern gewidmet, um den sich den Herausforderungen des demografischen Wandels zu stellen. Da wir während der Laufzeit des Projektes WeChange immer wieder über unsere Ergebnisse berichten werden (siehe Webseite), möchten wir diese Broschüre jenen Themenfeldern widmen, die zwar im Projekt eine wesentliche Rolle spielen, aber nicht zentral zum Tragen kommen.

Soziale Präsenz

Soziale Interaktion in einer digitalisierten Welt

Durch die zunehmende Digitalisierung werden viele Tätigkeiten, die früher persönlichen Kontakt erforderten, ins Internet verlagert. Beispielsweise kaufen viele Menschen online ein oder erledigen Bürgerangelegenheiten über die Onlineservices von öffentlichen Verwaltungen. Die Nutzung dieser Dienstleistungen mangelt es jedoch an direktem sozialem Kontakt. Dabei wird der geringe direkte soziale Kontakt als ein Hindernis in der Akzeptanz solcher Onlineangebote angesehen. Insbesondere ältere Menschen halten aus diesem Grund noch vielfach Abstand von den sich neu eröffnenden Möglichkeiten.

Auch innerhalb von Unternehmen ist das persönliche Gespräch in vielen Fällen durch unpersönliche Mechanismen wie die Verwendung von Internetsuchmaschinen ersetzt worden. Um negative Konsequenzen aus mangelndem sozialem Kontakt zu vermeiden, sollten digitale Systeme auch das Ziel verfolgen die sozialen Interaktionen zwischen Mitarbeitern zu stärken. Der Austausch von Wissen zur Lösung von Problemen kann hierbei auf vielfältige Weise erfolgen - von klassischer Email über Internettelefonie bis hin zur Videotelefonie mit zusätzlicher gemeinsamer Übertragung der momentanen Bildschirmtätigkeiten des virtuellen Gegenübers.

Soziale Interaktionen sind komplex und können sowohl Wärme und Vertrauen (emotionale soziale Präsenz) als auch ein Gefühl der Kontrolle und Beurteilung (evaluative soziale Präsenz) durch andere Mitarbeiter hervorrufen. Auf der einen Seite führt ein erhöhter emotionaler Bezug zu einem höheren Vertrauenslevel in die entsprechenden Services, was ein entscheidendes Kriterium bei der Akzeptanz der Plattform darstellt. Auf der anderen Seite kann das Gefühl der Evaluation dazu führen, dass Personen sich der Kommunikation verweigern oder wichtige Fragen nicht stellen. Diese unterschiedlichen Aspekte werden im Projekt WeChange vor dem Hintergrund verschiedener Nutzer- segmente analysiert und bei der Konzeption und Umsetzung der dezentralen Supportplattform berücksichtigt.

Individualisierung von IT

Das letzte Jahrzehnt war gekennzeichnet durch eine bisher ungekannte Digitalisierung des Privatlebens. Inzwischen betreiben viele Menschen umfangreiche Ökosysteme, die sich aus einer Vielzahl von privaten End-Geräten und Informationsdiensten zusammensetzen. Soziale Netzwerke werden beispielsweise für die Interaktion mit Freunden genutzt und die Verfügbarkeit von mobilen Endgeräten erlaubt den Austausch auch fern heimischen Familien PCs.

Mit der zunehmenden Durchdringung des Privatlebens geht auch ein Bedeutungsgewinn der privaten Informationstechnologie (IT) für berufliche Zwecke einher. Warum sich den räumlichen, zeitlichen oder technischen Restriktionen der Firmen-IT unterwerfen, wenn die bereits vertraute private IT doch alle Möglichkeiten bietet, auch geschäftliche Aufgaben angemessen zu erfüllen? Derartige Beweggründe führen so auch im Unternehmen zu großen Umwälzungen, wenn Mitarbeiter beginnen ihren Arbeitsplatz basierend auf Firmen wie auch privater IT entsprechend ihrer Anforderungen zu gestalten.

Während sich einige Firmen große Vorteile von dieser Entwicklung erhoffen und deshalb ihre Mitarbeiter mit Konzepten wie „Bring your own device“ sogar dazu ermutigen ihre persönliche IT in den Dienst des Unternehmens zu stellen, sehen andere Firmen vor allem die Nachteile die aus diesem Trend erwachsen. Sie versuchen die Nutzung von persönlicher IT im Unternehmen deshalb einzuschränken.

Die Befürworter argumentieren, dass die Auswahl von geeigneter IT durch die Angestellten zu Arbeitsumgebungen führen, die besser an die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters angepasst sind. Dies wiederum begünstigt höhere Zufriedenheit und führt langfristig zu einer Erhöhung der individuellen Produktivität. Weiterhin hilft die Einbindung von privater IT Kosten auf Seiten des Unternehmens zu sparen, da dieses teilweise davon befreit wird die Investitionen in neuartige IT selbst zu tragen.

Die Gegner der Benutzung von privater IT im Unternehmen kritisieren vor allem die zunehmende Heterogenität, die durch ihre Nutzung im Unternehmen entsteht. Die vergangenen Jahre waren in vielen Unternehmen geprägt durch den Versuch die gewachsenen IT Landschaften zu standardisieren um vor allem die Kosten für den IT Support zu reduzieren. Die Diffusion privater IT im Unternehmen steht diesem Trend nun entgegen. Zusätzliche Systeme erfordern zusätzliche Maßnahmen, sowohl technischer, organisationaler und juristischer Natur, um mit den durch sie erwachsenden Herausforderungen umzugehen.

Ob für ein Unternehmen die Vor- oder die Nachteile überwiegen, ist dabei abhängig von der jeweiligen Situation. Aktuelle Forschung im Kontext des Projektes WeChange zielt darauf ab die kontextuellen Bedingungen für den erfolgreichen Einsatz privater IT im Unternehmen zu identifizieren sowie Antworten auf technische wie auch organisationale Fragestellungen zu finden, die bisher einem erfolgreichen Einsatz im Weg standen.

Altern und IT-Wissensarbeit

Die Einflüsse kognitiven Alterns auf die Gestaltung von IT-Arbeitsplätzen

Die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung wird sich in den kommenden Jahren deutlich verändern. In naher Zukunft wird es unumgänglich, dass Arbeitnehmer länger im Berufsleben verbleiben. Jedoch erreichen derzeit Wissensarbeiter mit IT-Bezug das geplante Renteneintrittsalter von 67 in vielen Fällen nicht, da sie mit den zahlreichen Anforderungen im IT-Beruf in den letzten Jahren nicht Schritt halten können.

Die Folge ist, dass obwohl ältere Menschen heute zumeist besser ausgebildet und leistungsfähiger sind als vor wenigen Jahrzehnten, viele Autoren im Bereich Informationstechnologie von einem „Digital Divide“ zwischen Altersgruppen hinsichtlich Kompetenz und Beherrschung von IT sprechen. Zwangsläufig wird die IT-Kompetenz älterer Arbeitnehmer in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Die Ergebnisse heutiger psychologischer Alternsforschung legen jedoch nahe, dass im mittleren und höheren Erwachsenenalter mit einem Abbau an kognitiven Fähigkeiten gerechnet werden muss. Beispielsweise tun sich ältere Menschen schwerer, irrelevante Informationen für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe von relevanten zu trennen oder schnell zwischen mehreren Aufgaben zu wechseln.

Es ist zu vermuten, dass die genannten kognitiven Einbußen insbesondere für IT-bezogene Wissensarbeitsplätze von Belang sind. Diese erfordern schon heute einen dynamischen und flexiblen Umgang mit einer stetig zunehmenden Anzahl an Informationen. Die parallele Bewältigung von Aufgaben (Multi-Tasking) und ein hoher Grad an IT-Unter stützung erfordern zunehmend die Kombination verschiedener Arbeits- (bspw. Office-Produkte oder branchen- spezifische Spezialsoftware) und Kommunikationsprozesse (bspw. E-Mails, Social Media). Um die Effekte kognitiven Alterns zu mildern werden im Projekt WeChange Gestaltungsprinzipien untersucht, die die gesteigerte IT-Kompetenz der Anwender berücksichtigen. Als Ausgangsbasis dienen dazu etablierte Prinzipien Web 2.0-Technologien und soziale Medien. Im Idealfall sind auf diese Weise ältere Arbeitnehmer in der Lage IT-bezogene Innovationsprozesse im Unternehmen „von unten“ voranzutreiben, wozu sie aufgrund ihres vorhandenen Erfahrungswissens prädestiniert sind.

Projektdauer

01.08.2011-30.04.2015

Verbundkoordinator

European Research Center for Information Systems
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Leonardo-Campus 3
48149 Münster

Ansprechpartner

Univ.-Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves
bjoern.niehavesghost@unighost-siegen.de
+49 (0) 271 740 2588